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Geschichten aus der SAW

«Diese Geschichte beschäftigt
mich immer noch.»

Ruth Manser lebt seit 2015 in der Siedlung Feldstrasse. Kürzlich erhielt sie einen sehr beunruhigenden Anruf. Nach dem ersten Schrecken fielen ihr einige Ungereimtheiten auf. Sie erzählt, wie sie dann reagiert hat.

Ruth Manser (85) arbeitete als Kassiererin für eine Krankenkasse und hat ein Flair für Zahlen. Dies und ihr gutes Gespür für Menschen hat ihr wohl geholfen, dass sie dem geschickten Betrüger nicht auf den Leim gegangen ist.

«Am Vorabend hatten wir den 60. Geburtstag meiner Tochter gefeiert und sie brachte mich nach dem Essen nach Hause. Anderntags klingelte das Telefon: Ein Mann von der Polizei meldete sich – ganz korrekt mit Namen und Dienstgrad – und erzählte mir, meine Tochter habe einen schweren Autounfall verursacht. Dabei habe sie sich so schwer verletzt, dass sie leider nicht fähig sei, mit mir zu sprechen. Im Hintergrund hörte ich eine Frau stöhnen, als leide sie grosse Schmerzen. Es war grauenhaft, das mitanzuhören.

 

Der Polizist behauptete, bei dem Unfall habe meine Tochter einen Porsche beschädigt und die Versicherung verlange über 100’000 Franken Kaution, sonst komme meine Tochter ins Gefängnis. Der Mann redete und redete, sodass ich keinen klaren Gedanken fassen konnte. Ich war ja so erschrocken und machte mir grosse Sorgen um meine Tochter. Währenddem redete der Anrufer unablässig auf mich ein, so als suche er Lösungen, um mir zu helfen. Er gab Tipps, wie ich das Geld abheben könne, versicherte mir, dass die Bank mir einen Kredit geben würde und dass die Versicherung alles zurückzahlen werde und, und, und … Ich verstand gar nicht recht, was eigentlich los war, nur dass die Geschichte immer komplizierter und konfuser wurde.

 

Mit der Zeit kam mir die Sache komisch vor und ich bat ihn, einen Moment am Telefon zu warten. Dann rief ich mit dem Handy meine Tochter an. Und siehe da: Ihr ging es bestens! Ich hatte im anderen Zimmer mit meiner Tochter telefoniert, aber als ich den Hörer des Festnetz-Telefons wieder in die Hand nahm, hatte der seltsame Anrufer aufgelegt. Er hatte wohl gemerkt, dass ich miss­trauisch geworden war.

 

 

 

«Der Anruf hat mich so erschüttert, dass ich um ein Haar mein Bankkonto leer geräumt hätte, um zu helfen.»

Ruth Manser (85), Siedlung Feldstrasse

 

 

 

Nachdem ich den Schock etwas verdaut hatte, rief ich bei der richtigen Polizei an und meldete den Betrugsversuch. Der Bandit hatte mit einer unterdrückten Nummer angerufen, so konnte man nicht herausfinden, woher der Anruf gekommen war, und der Hallodri ist wahrscheinlich immer noch auf freiem Fuss. Noch am gleichen Tag meldete ich das Geschehene auch bei der SAW. Ich finde es wichtig, dass man möglichst vielen Menschen erzählt, wie diese Gauner vorgehen. Ich bin wirklich nicht auf den Kopf gefallen, aber der Anruf hat mich dermassen erschüttert, dass ich um ein Haar mein Bank­konto leergeräumt hätte, um meiner Tochter zu helfen. Der Unbekannte am Telefon liess mir keine Sekunde Zeit, mich zu fassen.

 

Ich frage mich heute noch, was passiert wäre, wenn ich auf diese fürchterliche Geschichte hereingefallen wäre. Auch die Vorstellung, meiner Tochter könnte etwas Schlimmes zustossen, lässt mich seit jenem Anruf nicht mehr ganz los. Ich verstehe nicht, wie Menschen derart skrupellos sein können, dass sie mit den Ängsten anderer spielen. Im Hauseingang hängen Flyer mit Warnungen vor solchen Betrügern, so ist man als Mieterin oder Mieter der SAW wenigstens vorgewarnt und wird etwas rascher misstrauisch. Das ist wichtig, denn in den Alterssiedlungen sind wir alle betroffen. Ich habe jetzt selbst erlebt, wie raffiniert diese Diebe dabei vorgehen.»